Donnerstag, den 8.8.2018um 18:00 fand unsere Vernissage im Goethe Institut München statt. Nach der Begrüßung durch Frau Dr. Beck, führte, wie bei allen unseren Faust Ausstellungen, Gudrun Bouchard in die Ausstellung ein. Herzlichen Dank Ihnen beiden. Wir freuen uns sehr „Photofaust“ in diesem perfekt passenden Umfeld des Goethe Instituts zeigen zu können. Die Ausstellung ist noch bis 19.10 zu sehen.
Öffnungszeiten
Mo / Di / Do 8:00 – 20:00 Uhr
Mi / Fr 8:00 – 17:30 Uhr
„Photofaust – wir sind ein Teil des Teils“
Ausstellung vom 1.8. bis 19.10.2018
Begrüßung
Dr. Manuela Beck, Institutsleiterin
Einführung
Gudrun Bouchard, Kuratorin
Goethe-Institut München
Rablstraße 24
81669 München
Vortrag im Goethe-Institut München am 8.8.2018, um 18. 00 Uhr anlässlich der Vernissage der Ausstellung „Photofaust“ von Horst Gatscher und Dirk von Burgsdorff
Was für Energien werden freigesetzt, wenn Wortkunst und Bildkunst aufeinandertreffen und eine Symbiose eingehen! In dieser Ausstellung von Horst Gatscher, Fotograf und Dirk von Burgsdorff, Maler wird das Zusammenwirken von drei künstlerischen Genre , nämlich Literatur, Malerei und Fotografie zu einem genuinen ästhetischen Ereignis.
Der Titel „Photofaust“ erweist sich in seiner Mehrdeutigkeit bereits als ein Hinweis darauf, dass den beiden Künstlern keineswegs an einem Kopieren der längst in allen Facetten bekannten Porträts des literarischen Personals von Faust I und Faust II von J.W. v. Goethe gelegen ist. Vielmehr beabsichtige das Künstler-Duo , in einer Mischung von surreal-phantastischer, wie auch abstrakter und figurativer Bildsprache diesen klassischen Stoff der Hochliteratur bildnerisch weiterzuentwickeln, ihre geistigen Inhalte weiterzuführen und diesen inzwischen unendlich oft bearbeiteten Inhalt der zwei Dramenteile zu einer neuen Wirkkraft zu entfalten.
Aber – warum gerade „Faust“? Denn die Künstler waren schon längst mitten in ihrer Arbeit, als ihnen bekannt wurde, dass ihre Titelfigur in diesem Jahr eine Hauptrolle im einem sogenannten „Faustfestival“ der Stadt München spielen wird. Die Antwort ist interessant. Dirk von Burgsdorff -so erzählte er es mir- war nach dem Besuch einer Faustinszenierung in den Kammerspielen in München – das war Weihnachten 2016 -derartig von der schillernden und vielschichtigen Persönlichkeit des Faust gepackt, dass er sich danach sämtliche Faust-Inszenierungen ansah, die für ihn erreichbar waren, auch die 10-stündige in den Münchener Kammerspielen , so auch die 13-stündige im Berliner Volkstheater. Interessant ist aber auch, dass sein Kunst-Partner, Horst Gatscher, zeitgleich – aber unabhängig von ihm – ebenfalls beide Faust-Bände las .Und so gaben die beiden Künstler diesem erstaunlichen Zufall die Chance, sich in einem neuen gemeinsamen Projekt zu realisieren. Und nach wochenlangem gemeinsame Ausloten dieser tiefgründigen Dramen-Texte von Goethe -so Dirk von Burgsdorff- kamen sie zu einer genialen interpretatorischen Neufindung: Denn Faust I behandelt die persönliche Entwicklung der Titelfigur , und in Faust II tritt sie in unterschiedlichen Positionen in der Gesellschaft auf. Und doch: Die noch nicht ausgeschöpfte Fülle dieses tiefgründigen Stoffes aus der klassischen Hochliteratur ruft geradezu -ihrer Meinung nach- nach einer Fortführung, nämlich nach einem Faust III. Und es war für sie fraglos: Wenn Goethe heute noch leben würde, würde er seinen beiden Teilen sicher noch einen dritten hinzufügen. So entschieden sie sich, mit ihren ganz speziellen künstlerischen Mitteln, nämlich dem „Photobild“ (eine aus Malerei und Fotografie kreierte künstlerische Technik) diese Herausforderung selbst zu leisten. Aber welches neue allumfassende Thema konnte diesen dritten Teil überhaupt rechtfertigen? Sie fanden eines, und zwar ein brandaktuelles, das auch unsere Gegenwart berührt: Die Selbstinszenierung. Seit jeher ist dieses sich ‚selbst inszenieren‘ im Privat- wie um Berufsleben eine menschliche Eigenschaft, aber gegenwärtig kommt noch die wirkmächtige mediale Selbstinszenierung hinzu . Und dazu fallen einem ganz spontan derzeitig agierende Politiker ein, die ihre Person tag-täglich selbstinszenatorisch in aller Munde bringen. Oder zeitgenössische Mitglieder von Königsfamilien, die mit ihren Selbstinszenierungen bei Hochzeiten oder Kinderkriegen die ganze Welt in Atem zu halten wissen – dies um nur zwei Beispiele aus unserer jüngsten Zeit zu nennen . Die brennende Frage, die beide Künstler nun bewegte war- so Dirk von Burgsdorff: Wie bringen sie diese Idee der Selbstinszenierung bildnerisch – und das mit der Motivik der Faustliteratur- auf den Betrachter rüber. – Dass ihnen aufs genialste gelungen ist, bestätigt jetzt diese Ausstellung.
Ihr gestalterischer Einfall, der diesem neuen Werkkomplex zugrunde lieg, ist nicht auf den ersten Blick erkennbar: Es sind nämlich die beiden Künstler selbst, die sich hier mit unaufwendigen Kostümen und mit Schminke in die Protagonisten von Faust I und Faust II verwandeln, um vor allem das Innenleben ihrer gespielten Figuren in ihren Selbstinszenierungen zum Ausdruck zu bringen. So sehen wir in dieser Ausstellung immer wieder die Titelfigur Faust
in seinen vielfältigen Gefühlslagen, jeweils von einem der beiden Künstler selbstinszeniert. Dabei verrät ihre formale und koloristische Bildsprache mehr vom geheimen inneren Leben dieser von Gefühlen hin und hergerissen zentralen Figur, als Worte es vermögen. In dieser Arbeit zum Beispiel taucht nur schemenhaft die von Lebensgier besessene Physiognomie eines jungen Faust aus einem changierenden Gelb auf, dessen Strukturen ihn fast verschlingen – so wie er sich selbst in diesem Augenblick von seiner Gier nach ausschweifendem Leben fast verschlingen lässt. Wenn man das Bild von der Ferne sieht, ist dieses aufgewühlte Faust-Gesicht im Dickicht der gelben Farbstrukturen kaum mehr erkennbar. Auch hinter der Maske seines Gegenspielers Mephisto , sofort als solchen zu identifizieren mit seinem unverhüllten, hinterlistigen Blick, seinem hämisch lächelnden Mund und seinen scharfen , auf der Stirn diagonal laufenden Augenbrauen -steckt das Gesicht eines der beiden Künstler. Wir lernen in dieser Schau viele Aspekte dieser unergründlichen Mephisto-Persönlichkeit kennen – alle durch Selbstinszenierungen von einem der beiden Künstler visualisiert. Alleine in diesem Raum können wir drei verschiedene Ausdrucksweisen dieser unergründlichen Miene erkennen. Oder sind es vier? Denn diese ‚Femme fatal‘ daneben, mit ihren vor Begierde heiß glühenden Augen und ihrem sinnlichen, knallrot geschminkten Mund könnte auch der weibliche Teil dieses Mephisto sein. Als letztes möchte ich noch Ihren Blick auf „Gretchen“ lenken, eines der zentralen Figuren in Faust I. Es ist eine Selbstinszenierung einer Bekannten der beiden Künstler. In dieser Arbeit sehen wir auf dunklem Hintergrund ein feines Jungmädchengesicht ,das sich in diesem Augenblick noch am Anfang ihres tragischen Schicksals befindet. Noch weiß sie nicht, dass dieses für sie tödlich enden wird. Aber durch deutlich gesetzte Symbole, wie die vom schwarzen Kleid halbverdeckte Halskette, die ihr zum Verhängnis wurde, und auch ihr nach oben gerichteter Blick , mit dem sie als zutiefst Gläubige Hilfe in höheren Sphären sucht, weisen auf ein Ahnen ihrer kommenden Tragödie hin. Sehr beeindruckend ist auch diese Arbeit, in dem dasselbe junge Gesicht bereits vom Leid gezeichnet dargestellt wird. Der surreal gesetzte blutrote Fleck an ihrem rechten Mundwinkel, auch die vor Schmerz fast gebrochenen blauen Augen, die sich wieder hilfesuchend zum Himmel wenden, teilt bildnerisch diese tief berührende , von Faust verursachte Qual dieses Mädchen mit. Starke innere Bezüge zu diesem Bildausdruck finden wir auch in den Selbstinszenierungen von Faust, bei dem ebenfalls immer wieder diese blutrote Struktur in seinem Gesicht zu sehen ist. So auch auf der Einladungskarte, die ein bis zur Unkenntlichkeit eingebundene Physiognomie von Faust zeigt, in dem die blutrote Mundpartie das Gesicht in ein Oben und Unten zerteilt. Und es ist nur dieser blutrote Mund und die unnatürlich hervortretenden Augen , die uns die Anwesenheit eines Menschen hinter dieser dichten Verbandsmaske signalisiert.
Ich komme zum Schluss: Aus Zeitgründen kann ich hier nur auf wenige Figuren näher eingehen und dies vor allem, um Ihnen Impulse zu eigenen Assoziationen beim Betrachten dieser Bildwerke zu geben, die ein absolutes Novum in den bisherigen bildnerischen Faust-Bearbeitungen sind.
Anregungen dazu finden Sie auch in den bildparallel laufenden Originalzitaten aus der Faustliteratur, die jeweils eine gedankliche Linie zwischen Text und Werk herstellen. Ich wünsche Ihnen jetzt spannende Momente beim Eintauchen in eine Welt voller Verlockungen, voller Geheimnisse, voller Schmerz, voller Zweifel ,und auch voller Glückseligkeit : Es ist die Welt von Faust III – kreiert von Horst Gatscher und Dirk von Burgsdorff.
Gudrun Bouchard
Kuratorin
Goethe-Institut München